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V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018

13.6 Verweigerung eines Kostenvoranschlags – die bürgerunfreundliche Landeshauptstadt

Wer einen Informationszugangsantrag stellt, lebt immer auch mit einem gewissen Gebührenrisiko. Der Antragsteller kennt den Akteninhalt nicht. Es kann sein, dass sein Antrag mit geringfügigem Verwaltungsaufwand bearbeitet werden kann, weil die begehrten Informationen sich auf wenige Seiten beschränken und die Prüfung rechtlich unkompliziert ist. In diesem Fall kann es durchaus sein, dass der Antrag gebührenfrei bleibt. Umgekehrt ist es aber auch möglich, dass der Antrag schon deshalb einen hohen Verwaltungsaufwand auslöst, weil der Umfang der begehrten Informationen hoch und/oder der Fall rechtlich komplex ist. Bei einem Gebührenrahmen von 0 bis 500 Euro nach der neuen IZG LSA KostVO ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass die Höchstgebühr von 500 Euro erreicht wird. Es kann also schnell passieren, dass bei einem Informationszugangsantrag Gebühren in Rechnung gestellt werden, mit deren Höhe der Antragsteller nicht gerechnet hat und die er in dieser Höhe auch nicht entrichten wollte.
 
Um das Gebührenrisiko zu minimieren, gibt es in der Praxis eigentlich ein sehr probates Mittel, nämlich den Kostenvoranschlag (davon zu unterscheiden ist der sog. Kostenvorschuss, der in aller Regel unzulässig ist; vgl. Nr. 7.9 des II. Tätigkeitsberichts). Im Fall des Kostenvoranschlags schätzt die Behörde die dem Antragsteller für die Bearbeitung seines Antrags entstehenden Gebühren und teilt ihm diese mit. Der Antragsteller kann dann entscheiden, ob er seinen Antrag aufrechterhält oder ihn ganz bzw. teilweise zurücknimmt.
 
Nach der derzeit geltenden Rechtslage in Sachsen-Anhalt ist eine Behörde allerdings nicht automatisch verpflichtet, einem Antragsteller von sich aus einen Kostenvoranschlag zu erstellen (vgl. auch Nr. 4.6 des I. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit), wie es z. B. andere Informationsfreiheitsgesetze der Länder oder das VIG vorsehen (vgl. § 10 Abs. 2 Landesinformationsfreiheitsgesetz Baden-Württemberg: ab Erreichen einer Gebührenhöhe von 200 Euro; § 7 Abs. 1 VIG: für alle gebührenpflichtigen Anträge). Ob sie von sich aus reagiert, weil sie erkennt, dass die Gebühr für den Antragsteller überraschend hoch ist, steht in ihrem Ermessen. Gerade wegen dieser Problematik sind die Antragsteller in der Praxis dazu übergegangen, die Behörden im Rahmen der Antragstellung gleich um die Erstellung eines Kostenvoranschlags zu bitten, sofern die Bearbeitung ihres Antrags nicht gebührenfrei möglich sein sollte. In meiner Kontrollpraxis gab es hierzu bisher auch keine Probleme, weil die um Informationszugang ersuchten Behörden einer solchen Bitte stets nachgekommen sind. Nicht so jedoch die Landeshauptstadt Magdeburg in einem Fall, in dem mich ein Petent um Vermittlung gebeten hat.
 
Der Petent hatte die Landeshauptstadt um die Übersendung einer Statistik für das Jahr 2018 gebeten, aus der hervorgeht, wie viele Verfahren wegen der Tatbestände des Falschparkens/-haltens/Parkzeitverstoßes, aufgegliedert auch nach Ort und Zeitpunkt des Verstoßes, eingeleitet wurden. Sollte die Informationszugangsgewährung wider Erwarten gebührenpflichtig sein, bat er die Stadt ausdrücklich, ihm dies vorab mitzuteilen und ihm dabei die Höhe der voraussichtlichen Kosten anzugeben.
 
Die Landeshauptstadt Magdeburg hat den Antrag geprüft und einen Anspruch auf Übersendung der gewünschten Statistik bejaht. Dabei hat sie festgestellt, dass der Umfang der gewünschten Informationen 80.000 Datensätze betraf. Sie hat auch errechnet, dass für die Bearbeitung des Antrags Kosten in Höhe von knapp 255 Euro entstehen. Sie hat dem Antragsteller jedoch nicht wie erbeten einen Kostenvoranschlag erstellt, sondern dem Antrag stattgegeben und ihn auch gleich vollzogen. Dem Antragsteller wurden nämlich die gewünschten Daten sofort zugänglich gemacht. Anschließend erhielt er einen Leistungsbescheid, in dem er zur Zahlung der o. g. Gebühren aufgefordert wurde. Der Antragsteller, der bereit gewesen wäre, Gebühren bis zu einer Höhe von 100 Euro zu bezahlen, hat gegen den Leistungsbescheid Widerspruch eingelegt und mich um Vermittlung gebeten.
 
Ich halte die von der Landeshauptstadt Magdeburg gewählte Vorgehensweise nicht nur für bürgerunfreundlich, sondern auch für rechtswidrig. Eine Behörde ist zwar nicht von sich aus verpflichtet, einem Antragsteller einen Kostenvoranschlag zu erstellen. Etwas anderes gilt aber nach h. M. im Informationsfreiheitsrecht dann, wenn ein Antragsteller sie ausdrücklich um die Erstellung eines Kostenvoranschlags bittet. Dann, wie in diesem Fall, hat die Behörde die erbetene Auskunft über die voraussichtliche Höhe der Kosten zu erteilen (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 10 Rn. 45 zum korrespondierenden Bundesrecht). Nach h. M. kann sich daher eine Behörde nicht über die Bitte um Erstellung eines Kostenvoranschlags hinwegsetzen und stattdessen den Informationszugangsantrag bescheiden sowie die damit verbundene Kostenfolge auslösen. Der Gedanke, dass eine entsprechende Vorgehensweise rechtlich problematisch ist, muss sich einer Behörde aufdrängen, denn der Sinn und Zweck einer Bitte nach der Erstellung eines Kostenvoranschlags besteht ja gerade darin, dem Antragsteller eine Entscheidung zu ermöglichen, ob er angesichts der voraussichtlich entstehenden hohen Kosten seinen Antrag weiterverfolgen oder ihn ganz oder teilweise zurücknehmen will.
 
Ich halte den Leistungsbescheid der Stadt Magdeburg auch deswegen für rechtswidrig, weil gem. § 10 Abs. 1 IZG LSA i. V. m. § 12 Abs. 1 VwKostG LSA nur solche Kosten erhoben werden dürfen, die bei einer richtigen Behandlung des Vorgangs entstanden sind (vgl. auch Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2016, § 10 Rn. 31 zum korrespondierenden Bundesrecht). Bei einer ordnungsmäßen Vorgehensweise der Behörde hätte diese dem Antragsteller einen Kostenvoranschlag erstellen müssen, wonach dieser die Möglichkeit gehabt hätte, über die Aufrechterhaltung seines Antrags oder eine gänzliche oder teilweise Rücknahme zu entscheiden. Jedenfalls hätten dem Antragsteller nicht automatisch die in dem Leistungsbescheid genannten Kosten auferlegt werden dürfen.
 
Die Landeshauptstadt Magdeburg hat mir mitgeteilt, dass sie dem Widerspruch des Antragstellers nicht abhelfen wolle, sondern diesen dem Landesverwaltungsamt zur Entscheidung vorgelegt habe. Sie hält ihre Vorgehensweise weiterhin für rechtmäßig. Die Landeshauptstadt hat mir erläutert, dass nach ihrer Auffassung der Widerspruch gegen den Kostenbescheid zurückzuweisen sei, da der Widerspruchsführer Formvorschriften nicht eingehalten habe. Damit würde die Frage des Kostenvoranschlags nicht mehr behandelt.
 
Dass ihr Vorgehen problematisch ist, hat die Stadt jedenfalls erkannt, denn auf eine Presseanfrage hin hat sie erklärt, dass Antragsteller zukünftig zunächst über die Kosten informiert würden und erst nach Akzeptanz durch den Antragsteller eine Bearbeitung erfolge. Dies erscheint klug. Das Landesverwaltungsamt dürfte ähnlich entscheiden.
 
Aus Gründen der Klarstellung sollte in das neue Transparenzgesetz eine verpflichtende Regelung zur Erstellung eines Kostenvoranschlags aufgenommen werden.