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V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018

13.10 Müssen schlüssige Konzepte der gemäß SGB II zu ermittelnden Kosten der Unterkunft veröffentlicht werden?

Nach § 22 SGB II werden bei Beziehern von Grundsicherung für Arbeitssuchende („Arbeitslosengeld II“) Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Ähnliches gilt nach § 35 SGB XII für die Bezieher von Sozialhilfe. Zur Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen fordert das Bundessozialgericht von den Behörden ein sogenanntes „schlüssiges Konzept“.
 
In einem von mir zu prüfenden Fall hatte ein Antragsteller von einem Landkreis die Übersendung des „schlüssigen Konzepts“ im Volltext begehrt. Nachdem der Landkreis ihm mitgeteilt hatte, dass er eine Einsichtnahme in das Konzept gestatten wolle, aber eine Übersendung ablehne, wandte sich der Antragsteller an mich und trug außerdem vor, dass das Konzept zu den Dokumenten gehöre, deren Veröffentlichung im Internet zeitgemäß wäre.
 
Ich habe den Landkreis darauf aufmerksam gemacht, dass er einen Anspruch auf Informationszugang zu seinem Konzept nach dem IZG LSA dem Grunde nach bejaht habe, weil er ein Recht auf Einsichtnahme in das Konzept angenommen habe. Er habe folglich keine Ausschlussgründe gesehen, die einem Informationszugang entgegenstehen könnten. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wenn er eine Übersendung des Konzepts ablehne. Ohnehin habe der Antragsteller ein Recht darauf, das Konzept in Kopie zu erhalten, denn § 7 Abs. 4 IZG LSA bestimmt, dass sich ein Antragsteller im Fall der Einsichtnahme in amtliche Informationen Ablichtungen und Ausdrucke fertigen lassen kann. Daraus folgt, dass eine öffentliche Stelle es nicht verhindern kann, dass von einer Information, die uneingeschränkt zugänglich ist, Kopien angefertigt werden.
 
Davon unabhängig stellt sich sogar die Frage, ob das schlüssige Konzept durch den Landkreis hätte veröffentlicht werden müssen, um überhaupt wirksam zu sein. Ob eine solche Veröffentlichungspflicht besteht, ist rechtlich umstritten.
 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten nur wirksam, wenn sie veröffentlicht wurden (BVerwG, Urteil vom 25. November 2004, Az.: 5 CN 1/03; vgl. Nr. 10.1 und Anlage 6). Eine selektive, erläuternde Wiedergabe des Inhalts genügt nicht.
 
In einem jüngeren Urteil hat das Sozialgericht Augsburg eine Veröffentlichungspflicht i. S. der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verneint, da es sich bei dem ihm vorliegenden schlüssigen Konzept zwar um eine Verwaltungsvorschrift handele, diese aber keine anspruchskonkretisierende Wirkung habe (SG Augsburg, Urteil vom 31. Mai 2016, Az.: S 8 AS 266/16).
 
Das Sozialgericht Bayreuth ist dagegen in zwei Urteilen aus den Jahren 2016 und 2018 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Konzepte veröffentlicht werden müssen. Es hält die Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB ll über ein schlüssiges Konzept für unwirksam, wenn diese Konzeption nicht auch öffentlich bekannt gemacht wurde. Es handele sich um eine Verwaltungsvorschrift mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten, da durch das schlüssige Konzept der Anspruch des Leistungsbeziehers konkretisiert werde (SG Bayreuth, Urteil vom 29. Mai 2018, Az.: S 4 SO 121/17; Urteil vom 17. Oktober 2016, Az.: S 4 AS 1092/14 „anspruchskonkretisierende Verwaltungsvorschrift“). Es verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Frage, ob und welche Leistungen der Empfänger erhalte, von dem Inhalt und dem Charakter der Verwaltungsvorschrift abhänge.
 
Schon um Rechtssicherheit im Hinblick auf die Wirksamkeit des Konzepts herzustellen, sollte eine Veröffentlichung des schlüssigen Konzepts ernsthaft in Erwägung gezogen werden.
 
Ich habe den Landkreis in o. a. Fall darauf hingewiesen, dass eine Veröffentlichung nach § 11 Abs. 3 IZG LSA in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift sollen geeignete Informationen im Internet veröffentlicht werden. Das Sozialgericht Bayreuth verweist darauf, dass bei einer Publikation des schlüssigen Konzepts neu in den Leistungsbezug eintretende Personen sich schon weit vor Eintritt des Bezugs eine angemessene Wohnung wählen könnten (SG Bayreuth, Urteil vom 27. Oktober 2016, Az.: S 4 AS 1092/14). Umgekehrt können Vermieter bei einer Investitionsrechnung berücksichtigen, ob die Wohnung von Leistungsberechtigten bezogen werden kann. Dies ist nach Auffassung des Gerichts für die Unwägbarkeiten bei einer Investitionsrechnung von Bedeutung, da bei angemessenem Wohnraum ein Leerstand weniger wahrscheinlich ist (SG Bayreuth, a. a. O.). Ein entsprechendes Konzept dürfte daher für eine Veröffentlichung sogar besonders geeignet sein.
 
Der Landkreis hat mir im Ergebnis mitgeteilt, dass er dem Antragsteller das Konzept übersandt hat. Eine Veröffentlichung des Konzepts soll in Erwägung gezogen werden, wenn ein laufendes Gerichtsverfahren über seine Rechtmäßigkeit abgeschlossen ist.
 
In einem zweiten von mir geprüften Fall eines anderen Landkreises hat dieser sein schlüssiges Konzept dem Antragsteller ebenfalls zugänglich gemacht.