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III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2014

9.1 Einsicht in einen Erbbaupachtvertrag, den eine Gemeinde mit dem Bruder des Bürgermeisters geschlossen hat – Teil II

In meinem II. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit hatte ich über einen Antrag auf Einsicht in einen Erbbaupachtvertrag, den eine Gemeinde mit dem Bruder des Bürgermeisters geschlossen hat, berichtet (vgl. Nr. 7.1 des II. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit). Ich hatte erläutert, das Verfahren weiter zu beobachten und über den Ausgang des Verfahrens zu informieren.

Informationszugangsrechtliche Seite


Unter Berücksichtigung meiner Rechtsauffassung, der sich auch die zuständige Kommunalaufsicht angeschlossen hat, hat die Gemeinde dem Antrag auf Einsicht in den Erbbaupachtvertrag stattgegeben. Der daraufhin vom Bruder des Bürgermeisters eingelegte Widerspruch wurde abgelehnt. Eine Klage ist beim Verwaltungsgericht Magdeburg anhängig; sie dürfte kaum Erfolgschancen besitzen.

Kommunalrechtliche Seite


Das Ergebnis der kommunalrechtlichen Prüfung des Vorgangs, die zum Zeitpunkt der Stellungnahme der Landesregierung zu meinem II. Tätigkeitsbericht noch nicht abgeschlossen war, liegt mittlerweile vor. Das Ministerium für Inneres und Sport hat mir folgende Ergebnisse mitgeteilt:

Verstöße gegen Mitwirkungsverbote

Es wurde festgestellt, dass der Bürgermeister und sein damaliger Stellvertreter nicht an dem Beschluss des Gemeinderats über den Abschluss des Erbbaupachtvertrages beteiligt waren. Sie haben allerdings an vorbereitenden Entscheidungen beratend und entscheidend mitgewirkt. Dies war allerdings nach § 31 Abs. 6 Satz 2 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt (GO LSA) wegen des Ablaufs der dort genannten Jahresfrist, innerhalb der eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften der Gemeindeordnung hätte geltend gemacht werden können, unbeachtlich. Der Beschluss über den Abschluss des Erbbaupachtvertrags war, so das Ergebnis der Prüfung, zwar rechtswidrig zustande gekommen, jedoch wirksam. Eine Beanstandung des Beschlusses wegen des (unbeachtlichen) Verstoßes gegen das Mitwirkungsverbot sei nicht geboten gewesen, zumal der Beschluss selbst längst vollzogen gewesen sei.

Zur Rechtmäßigkeit des Erbbaupachtvertrags und des Erbbauzinses

Das Ministerium für Inneres und Sport hat mir mitgeteilt, dass es hinsichtlich des Vorhabens zwei Varianten gegeben habe. Aus den mir mitgeteilten Daten, die ich nicht näher darlegen kann, da sie auch Gegenstand der informationszugangsrechtlichen Klage sind, ergibt sich jedoch, dass die ursprünglich geplante Variante wohl doch deutlich günstiger gewesen wäre. Es drängt sich daher die Frage nach der Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch die Kommunalaufsicht geradezu auf. Hierzu hat mir das Ministerium für Inneres und Sport folgendes mitgeteilt:

„Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wurde seinerzeit nicht angestellt. Die vom Gemeinderat (…) getroffene Entscheidung ist eine Entscheidung im Rahmen des verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG). Danach haben die Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Hiervon ausgehend hat die Aufsicht in den Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht weniger aber auch nicht mehr sicher zu stellen, dass die Verwaltung im Einklang mit den Gesetzen erfolgt und die Rechte der Verwaltungsorgane und deren Teilen geschützt werden (§ 133 Abs. 2 GO LSA). Soweit die Ergebnisse kommunaler Entscheidungen rechtswidrig sind, ist im Rahmen der Ausübung der Kommunalaufsicht, die als reine Rechtsaufsicht des Staates ausgestaltet ist, zu prüfen, ob der Einsatz kommunalaufsichtlicher Mittel nach Maßgabe des § 133 Abs. 1 GO LSA opportun ist. Die Beweggründe kommunaler Entscheidungen für oder gegen eine Entscheidung sind insoweit jedoch nicht von Relevanz.“

Fazit

Die sich aus dem Kommunalrecht ergebende Rechtslage muss den Bürgerinnen und Bürgern im vorliegenden Fall doch ernüchternd vorkommen. Rechtsverstöße gegen die Mitwirkungsverbote an kommunalrechtlichen Beschlüssen können wegen Fristablaufs nicht geahndet werden. Folgt man der Rechtsauffassung der Kommunalaufsicht, dann ist eine Gemeinde auch prinzipiell nicht zu einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung verpflichtet. Die einzigen Mittel, die den Bürgerinnen und Bürgern bleiben, um Einfluss zu nehmen, sind Transparenz und Information. Vergegenwärtigt man sich, dass der ganze Vorgang erst durch einen Antrag auf Informationszugang eine kommunalrechtliche Überprüfung ausgelöst hat, erkennt man, wie wichtig die Anwendbarkeit des IZG LSA auch im kommunalen Bereich ist.