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III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2014

8.9 Verhältnis von § 29 VwVfG zum IZG LSA

In der Praxis scheinen einige Behörden das für einen im Verwaltungsverfahren Beteiligten geltende Akteneinsichtsrecht nach § 1 Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (VwVfG LSA) i. V. m. § 29 VwVfG nicht konsequent anzuwenden und stattdessen den Antragsteller auf das IZG LSA zu verweisen. Der Unterschied ist nicht nur wegen der unterschiedlichen Ausschlussgründe relevant, im Gegensatz zum Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG ist die Akteneinsicht nach dem IZG LSA regelmäßig gebührenpflichtig.

Dem Landesbeauftragten ist dazu folgende Konstellation bekannt geworden: Die Behörde befindet sich in einem Stadium, in dem sie den Erlass oder Nicht-Erlass eines Verwaltungsakts prüft. Erst wenn sie sich sicher ist, dass sie einen Verwaltungsakt erlassen will, ist sie bereit, dem Betroffenem Akteneinsicht nach § 1 VwVfG LSA i. V. m. § 29 VwVfG zu gewähren, vorher verweist sie ihn auf das IZG LSA.

Der Landesbeauftragte weist darauf hin, dass sich diese Rechtsauffassung nach h. M. nicht mit dem geltenden Recht, insbesondere nicht mit Grundgedanken des § 29 VwVfG sowie § 9 VwVfG vereinbaren lässt. § 29 VwVfG entfaltet zwar grundsätzlich keine Sperrwirkung gegenüber dem Akteneinsichtsbegehren nach § 1 IZG LSA. Die Vorschrift stellt jedoch für die Akteneinsicht eines Beteiligten in die das jeweilige Verwaltungsverfahren betreffenden Akten während eines laufenden Verfahrens eine Sonderregelung dar, die Ausfluss der rechtsstaatlichen Grundsätze des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens ist (vgl. VG Saarland, Urteil vom 11. November 2014, Az.: 1 K 1000/13). Wer Beteiligter eines Verwaltungsverfahrens ist, wird daher – von Ausnahmekonstellationen abgesehen (vgl. Nr. 2.4.2 des I. Tätigkeitsberichts) – auch grundsätzlich besser gestellt als der Jedermann i. S. d. IZG LSA. Das Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG unterliegt zum einen nicht den zahlreichen Einschränkungen der §§ 3-6, 9 Abs. 2 IZG LSA. Zum anderen ist eine Verwaltungsgebühr für die Akteneinsicht nach dem Verwaltungskostengesetz Sachsen-Anhalt i. V. m. der Allgemeinen Gebührenordnung nicht vorgesehen. Der Beteiligte hat daher grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen einem Akteneinsichtsrecht nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz und dem IZG LSA.

Damit der Akteneinsichtsanspruch nach § 1 VwVfG LSA i. V. m. § 29 VwVfG zur Anwendung kommen kann, muss ein Verwaltungsverfahren i. S. v. § 9 VwVfG vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsverfahren die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsakts oder den Abschluss des Vertrags mit ein. Entscheidend für den Beginn des Verwaltungsverfahrens i. S. d. § 9 VwVfG ist die Aufnahme der nach außen wirkenden Tätigkeit der Behörde. Maßgeblich ist dabei die Entscheidung der Behörde, tatsächlich mit dem Verfahren zu beginnen; einer förmlichen Einleitungsentscheidung bedarf es nicht; die Entscheidung kann auch konkludent erfolgen, indem die Behörde Maßnahmen ergreift, die auf die in § 9 VwVfG genannten Ziele gerichtet ist (vgl. VG Saarland, Urteil vom 11. November 2014, Az.: 1 K 1000/13). Die Entscheidung muss auch nicht nach außen erkennbar sein; es reicht, dass die Tätigkeit der Behörde die Sachentscheidung beeinflussen kann (vgl. VG Saarland, a. a. O.).

Das bedeutet auch, dass ein Verwaltungsverfahren von Amts wegen eingeleitet ist, wenn die Behörde in die Prüfung des Erlasses oder Nichterlasses eines Verwaltungsakts eingetreten ist, was z. B. dadurch zum Ausdruck kommen kann, dass sie eine Kontrolle eingeleitet oder den Betroffenen um Stellungnahme gebeten hat. Es besteht dann folglich ein Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG. Der Antragsteller muss sich also nicht auf das IZG LSA verweisen lassen.