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III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2014

8.10 Konkurrenzen

In meinen beiden ersten Tätigkeitsberichten zur Informationsfreiheit hatte ich bereits über die schwierige Frage der Konkurrenzen berichtet (vgl. Nr. 4.7 des I. und Nr. 6.7 des II. Tätigkeitsberichts). Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass es zu diesem Thema neuere Rechtsprechung zum korrespondierenden Bundesrecht, aber auch zum IZG LSA selbst, gibt.

Gemäß § 1 Abs. 3 IFG bzw. § 1 Abs. 3 IZG LSA gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen dem IFG bzw. dem IZG LSA vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum korrespondierenden Bundesrecht wird das IFG des Bundes nur durch Normen verdrängt und ist diesen gegenüber subsidiär, die einen mit § 1 Abs. 1 IZG LSA identischen sachlichen Regelungsgegenstand aufweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011, Az.: 7 C 4.11). Eine in diesem Sinne speziellere Norm liegt dann vor, wenn zwei Normen denselben Sachverhalt regeln und eine Norm alle Tatbestandsmerkmale einer anderen sowie mindestens ein weiteres Tatbestandsmerkmal enthält, sodass alle Anwendungsfälle der spezielleren Norm unter den Tatbestand der allgemeineren fallen, nicht aber umgekehrt. Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in einem Fall, der den Zugang zu Fallpauschalen zur Abrechnung von Krankenhausleistungen betraf, für die Verwaltungspraxis griffig und nachvollziehbar konkretisiert (VG Berlin, Urteil vom 11. April 2014, Az.: 2 K 145.11). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts setzt das Vorliegen einer vorrangigen Norm voraus, dass sie nach ihrem Tatbestand, ihrer Rechtsfolge und ihrem Zweck in spezieller Weise den Zugang zu amtlichen Informationen für ihre Spezialmaterie regelt. Dementsprechend hat das Gericht in den von ihm zu prüfenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen über die Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten sowie in bestimmten Veröffentlichungspflichten keine vorrangigen Regelungen gesehen, denn sie regeln nach Tatbestand, Rechtsfolge und Zweck weder eine Akteneinsicht noch eine Auskunft.

Folgt man der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin, dann dürfte auch klar sein, dass im Gegensatz zu der von Ministerium für Inneres und Sport in seiner Stellungnahme zu meinem II. Tätigkeitsbericht vertretenen Auffassung die meisten kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen keine dem IZG LSA vorgehenden Regelungen sein können (LT-Drs. 6/2522, zu 6.8.1 bis 6.8.5). Die von dem Ministerium genannten Normen betreffen die Hilfe bei Verwaltungsangelegenheiten, die Hinzuziehung von sachkundigen Einwohnern, die Öffentlichkeit von Sitzungen der Vertretungen und ihrer Ausschüsse, die Bild- und Tonübertragung von öffentlichen Sitzungen oder die Einberufung von Sitzungen. Diese Normen regeln jedoch nach Tatbestand, Rechtsfolge und Zweck weder eine Akteneinsicht noch eine Auskunft. Sie können daher schon rein sachlich keine dem IZG LSA vorgehenden Normen sein und somit auch keine Sperrwirkung haben (siehe auch Nr. 5.4.1).

Ein Dissens bestand bisher auch zwischen der Landesregierung und mir, ob es sich bei der Abgabenordnung um eine dem IZG LSA vorgehende abschließende Regelung handelt. Obwohl das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 14. Mai 2012, DVBl. 2012, 970 f.) und mit ihm verschiedene Oberverwaltungsgerichte bereits entschieden hatten, dass der Abgabenordnung keine Sperrwirkung für die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder zukommt (vgl. Nr. 6.7.3 des II. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit), hatte die Landesregierung in ihrer Stellungnahme zu meinem Zweiten Tätigkeitsbericht nach wie vor die gegenteilige Auffassung vertreten (LT-Drs. 6/2522, zu 6.7.3). Diese Streitfrage dürfte nunmehr durch die Rechtsprechung des OVG Magdeburg auch für Sachsen-Anhalt abschließend geklärt worden sein. Das OVG hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, dass die Abgabenordnung keine Sperrwirkung entfaltet (OVG LSA, Urteil vom 24. April 2014, Az.: 3 L 319/13). Das IZG LSA findet daher grundsätzlich Anwendung.

Die Entscheidung des OVG LSA dürfte von enormer Bedeutung sein. Bisher hatte nämlich die Landesregierung mit derselben Argumentation auch die Ansicht vertreten, dass die Abgabenordnung gegenüber dem Auskunftsanspruch des Steuerpflichtigen nach dem Datenschutzgesetz Sachsen-Anhalt Sperrwirkung entfalte (vgl. 8.1 des X. Tätigkeitsberichts des Landesbeauftragten für den Datenschutz; LT-Drs. 6/997 zu 8.1). Die Auffassung dürfte nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts ebenfalls nicht mehr haltbar sein.

Während der Steuerpflichtige nach dem DSG LSA aufgrund der Rechtsprechung des OVG LSA nunmehr einen Auskunftsanspruch besitzen dürfte, läuft der Informationszugangsanspruch nach dem IZG LSA letztendlich jedoch ins Leere, da Sachsen-Anhalt im Gegensatz zum Bund und den meisten anderen Bundesländern in das IZG LSA einen Ausschlussgrund aufgenommen hat, der die Steuerverwaltung besonders schützt. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 11 IZG LSA besteht gegenüber Finanzbehörden i. S. d. § 2 Finanzverwaltungsgesetzes kein Informationszugangsanspruch, soweit sie in Steuersachen tätig werden. Dieser Ausschlussgrund soll nach der nicht unumstrittenen Rechtsprechung des OVG LSA generell die Steuerverwaltung erfassen und daher unabhängig davon gelten, ob es sich um ein laufendes oder abgeschlossenes Steuerverfahren handelt (vgl. hierzu Nr. 9.6).

Festzuhalten ist demgegenüber, dass im DSG LSA ein dem § 3 Abs. 1 Nr. 11 IZG LSA geregelter Ausschlussgrund für den Informationszugang fehlt. Mit Blick auf die neue Rechtsprechung des OVG LSA dürfte daher ein Auskunftsanspruch des Steuerpflichtigen in die eigenen Steuerunterlagen folglich zu bejahen sein. Meines Erachtens sollte der Gesetzgeber noch einmal darüber nachdenken, ob die Bereichsausnahme in § 3 Abs. 1 Nr. 11 IZG LSA weiterhin sinnvoll ist.